Dr. Paul Gärtner

Dr. Paul Gärtner

Dr. Paul Gärtner

Lebensdaten und Dienstzeit
geboren 1896 in Dortmund, gestorben 1974 in Münster
Amtsbürgermeister/Amtsdirektor von 1945 bis 1961

Lebensweg[1]
Paul Gärtner wurde am 21. Januar 1896 in Dortmund geboren. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat und nahm 1918 sein Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster wieder auf, das er 1921 mit einer Arbeit über das mittelalterliche Armenwesen in Münster als „Dr. phil.“ abschloss. In den folgenden Jahren arbeitete er als leitender Angestellter für verschiedene Verwaltungen, Banken und den Westfälischen Bauernverein. 1936 verpflichtete sich Dr. Gärtner als Berufssoldat und war, unterbrochen von kurzen Fronteinsätzen in Russland und Polen, bis 1945 leitender Offizier in mehreren Wehrmeldeämtern.
Nach eigenen Angaben war Dr. Gärtner kein Mitglied der NSDAP – allerdings war während des aktiven Wehrdienstes eine politische Betätigung ohnehin verboten[2]. Er konnte daher als unbelastet gelten, so dass ihn die Militärregierung mit Wirkung vom 25. Oktober 1945 zum Amtsbürgermeister in Verl ernannte. Um deutlich zu machen, dass der Verwaltungsleiter – anders als während der Zeit des Nationalsozialismus – nicht mehr gleichzeitig auch den Amts- und Gemeindevertretungen vorstand, änderte die Militärregierung die Bezeichnung: Seit dem 14. Januar 1947 war Dr. Gärtner Amtsdirektor, während an der Spitze der politischen Vertreter in der Amtsversammlung und in den Gemeindeversammlungen ehrenamtliche Amts- und Gemeindebürgermeister standen. Im Alter von 65 Jahren ging Amtsdirektor Dr. Gärtner in den Ruhestand.
Dr. Gärtner starb am 26. November 1974 in Münster.

Amtsführung
In der Notzeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ernannte die Militärregierung Dr. Paul Gärtner mit Wirkung vom 25. Oktober 1945 zum Amtsbürgermeister in Verl. Als Leiter der Verwaltung war er in den kommenden Jahren damit beschäftigt, die unmittelbarsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen – darunter waren neben den Einheimischen anfangs auch entlassene Kriegsgefangene, ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie befreite Häftlinge aus Konzentrationslagern. Vor allem aber kamen Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten dauerhaft hinzu. Alle waren über Jahre hin auf die Zuteilung von Unterkünften, Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Kleidung und Hausrat angewiesen, denn erst nach der Währungsreform im Juni 1948 gab es wieder „alles“ zu kaufen. Besonders dringlich war der Neubau der Dorfschule in Verl, die noch in den letzten Kriegstagen einem Brand zum Opfer gefallen war. Der Mangel an Arbeitskräften und an Baustoffen machte das Vorhaben zu einem Unterfangen, für das Dr. Gärtner „anfangs höchstpersönlich und an allen nur erdenklichen Stellen um Steine buchstäblich betteln mußte.“ Schließlich konnte er das Schulgebäude – den ältesten Teil der jetzigen Marienschule – im Januar 1950 nach dreijähriger Bauzeit einweihen.
In den ersten Monaten seiner Amtszeit erschwerte noch ein anderer Umstand Dr. Gärtners Arbeit: Er musste ohne gültige kommunale Gesetzgebung auskommen, „versehen mit dem einzigen Tip, weiter nach der deutschen Gemeindeordnung zu verfahren, aber diese Kommunalverfassung selbständig allen nationalsozialistischen Beiwerks zu entkleiden.“ Erst im April 1946 trat die „Revidierte Deutsche Gemeindeordnung“ in der britischen Besatzungszone in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt führte Dr. Gärtner bereits den Titel eines Amtsdirektors, als solcher nachträglich ordnungsgemäß bestätigt von der Amtsvertretung mit dem ehrenamtlichen Amtsbürgermeister an ihrer Spitze.
„Gute Jahre seines Lebens“ hatte Dr. Gärtner seiner Tätigkeit in Verl gewidmet. Dennoch fiel es ihm schwer, mit dem Erreichen der Altersgrenze 1961 in den Ruhestand zu gehen: „Ungern gebe ich meine Stellung auf, doch sehe ich ein, daß man mit 65 den Arbeitsbereich an eine jüngere Kraft abtreten muß!“

Quelle
Stadtarchiv (StA) Verl, F 284, Personalakte Dr. Paul Gärtner, 1945-1987


[1] Die Darstellung von Lebensweg und Amtsführung folgt der Akte Stadtarchiv (StA) Verl, F 284.

[2] Friedrich Altrichter, Der Reserveoffizier, Berlin 1941 (14. Aufl.), S. 10: „2. Das Verbot politischer Betätigung. Zu diesem Verbot gehört auch die Anordnung, dass die Zugehörigkeit zur NSDAP oder einer ihrer Gliederungen oder zu einem der angeschlossenen Verbände für die Dauer des aktiven Wehrdienstes ruht.“ (Zitiert nach www.wer-weiss-was.de/t/soldaten-und-nsdap-mitgliedschaft/2017091, eingesehen am 2. März 2020.)